Um herauszufinden, was die immer wieder betroffenen Gefäßregionen von anderen unterscheidet, entwickelten Daniela Wenzel und ihr Team aus Bochum und Bonn, welches dem Sonderforschungsbereich/Transregio 259 „Aortenerkrankungen“ angehört, eine Methode, um gezielt das Endothel der Aorta zu untersuchen: die innerste Schicht des Blutgefäßes. „Von anderen Gefäßerkrankungen wie zum Beispiel Arteriosklerose ist bekannt, dass es schon lange vor dem Auftreten von Symptomen Veränderungen in dieser innersten Schicht gibt“, so die Forscherin.
Es gelang den Forschenden, mittels einer Stempeltechnik unter großer Kälte ausschließlich die Endothelzellen der Aorta gesunder Mäuse zu isolieren. Aus diesen kleinen Proben, die nur rund 350 einzelne Zellen umfassten, konnten sie die RNA isolieren und untersuchen. Sie analysierten so die Genaktivität an verschiedenen Stellen der Aorta und verglichen die Stellen, an denen sich häufig Aneurysmen bilden, mit solchen, die diese Tendenz nicht zeigen.
Genetische Auffälligkeiten
„An den Stellen, an denen sich häufig Aussackungen bilden, haben wir bestimmte Muster hochregulierter Gene gefunden“, berichtet Alexander Brückner, Doktorand in der Arbeitsgruppe am Institut für Physiologie I des Universitätsklinikums Bonn und der Universität Bonn und Erstautor der Studie. „Diese auffällig aktiven Gene beeinflussen zum Beispiel Veränderungen der extrazellulären Matrix, die Neubildung von Gefäßen und bestimmte Entzündungsreaktionen.“ Solche genetischen Auffälligkeiten findet man auch in Gewebe aus humanen Aneurysmen. Die Forschenden bestimmten zusätzlich die Steifigkeit des Endothels an den gesunden Aortenproben zusammen mit Kooperationspartnern aus dem Institut für Physiologie der Universität Lübeck. Je weniger elastisch das Endothel ist, desto schlechter ist das für die Gefäßgesundheit. Sie konnten nachweisen, dass das Endothel an den Stellen, an denen häufig Aneurysmen entstehen, steifer war als an den Vergleichsstellen.
Drei bis vier Prozent der Bevölkerung zwischen 65 und 75 Jahren leiden etwa an einer Gefäßaussackung der Hauptschlagader. Männer sind sechsmal häufiger betroffen als Frauen. Es gibt zurzeit keine Therapieoption, die das Fortschreiten eines Aneurysmas aufhalten kann. Lediglich ein Stent kann das Gefäß stabilisieren. Platzt ein Aneurysma, besteht Lebensgefahr. Viele Betroffene verbluten, bevor sie medizinische Hilfe erhalten können. Gelangt ein Patient schnell genug ins Krankenhaus, muss offen operiert werden – ein risikoreicher Eingriff.
Im nächsten Schritt nutzte das Team ein etabliertes Modell einer Knock-out-Maus, die aufgrund einer gezielten genetischen Veränderung zur Bildung von Aneurysmen neigt. Löst man bei diesen Mäusen zusätzlich Bluthochdruck aus, bilden sich Aortenaneurysmen. Sie verglichen die genetische Aktivität im Aortenendothel der genetisch veränderten Mäuse ohne Aneurysma mit der bei Mäusen, die durch zusätzlichen Bluthochdruck ein Aneurysma entwickelt hatten. „Bei den Mäusen mit Aneurysma haben wir in erheblich stärkerem Ausmaß Genveränderungen vorgefunden, die derselben Kategorie angehören wie die Genveränderungen bei gesunden Mäusen“, so Alexander Brückner. Bei den Mäusen mit einem Aneurysma war zusätzlich die Gefäßwand verändert.“
Die Forschenden schließen daraus, dass die Stellen, an denen sich häufig Aneurysmen bilden, von vornherein Schwachstellen sind. „Die Gründe dafür kennen wir nicht – vielleicht hängt das mit den mechanischen Gegebenheiten und dem dortigen Blutfluss zusammen, vielleicht ist die veränderte Genaktivität an diesen Stellen von Geburt an angelegt“, erklärt Daniela Wenzel. Letzteres erscheint plausibel, da sich die Aorta auf verschiedenen Höhen aus unterschiedlichen embryonalen Vorläuferzellen entwickelt. „Wenn dann noch Risikofaktoren hinzukommen – etwa Rauchen und Bluthochdruck – sind diese Stellen für die Bildung einer Gefäßaussackung besonders anfällig“, erklärt die Medizinerin.
Sie hofft, durch die Grundlagenforschung die Prozesse, die zur Bildung eines Aneurysmas führen, besser verstehen zu können, und so irgendwann zu Ansätzen für eine medikamentöse Behandlung zu gelangen.