DNA ist ein langes Molekül, in dem unterschiedliche Bausteine aneinandergereiht sind, ähnlich wie Buchstaben in einem Satz. So wie ein Satz Informationen speichert, können DNA-Fäden das daher auch. Gleichzeitig ist DNA klebrig, fast wie eine Art Mini-Klettverschluss. In den Chromosomen liegt sie daher in Form zweier paralleler Stränge vor, deren „Klebeflächen“ zueinander weisen.
Aptamere sind dagegen einzelsträngig. Deshalb können sie sich an andere Moleküle heften und deren Funktion beeinflussen. An welche, hängt dabei von der Abfolge ihrer Bausteine ab: Unterschiedliche Aptamere binden an verschiedene Moleküle, und zwar sehr spezifisch. Und genau dieser Punkt ist es, der sie für die Wirkstoff-Forschung interessant macht.
Angeln in der Aptamer-Bibliothek
„Heute lassen sich relativ einfach riesige Bibliotheken von Aptameren herstellen, deren Sequenz sich nach dem Zufallsprinzip unterscheidet“, erklärt Prof. Dr. Günter Mayer vom LIMES-Institut (das Akronym steht für „Life and Medical Sciences“) der Universität Bonn. „Manche dieser Bibliotheken enthalten millionenfach mehr potenzielle Wirkstoffe, als Menschen auf der Erde leben.“
Möchte man eine bestimmte Zielstruktur mit Aptameren hemmen, muss man sie lediglich als Angelhaken benutzen: Wenn man sie in den Mix eintaucht, bleiben daran genau die passenden Aptamerfäden hängen. „Wir haben auf diese Weise Aptamere isoliert, die sich an ein bestimmtes Immun-Protein namens CCL22 heften“, sagt Mayer, der auch Mitglied in den Transdisziplinären Forschungsbereichen „Matter“ und „Life & Health“ der Universität Bonn ist. „Diese Treffer haben wir dann chemisch modifiziert und so weiter optimiert.“
Lockstoff des Immunsystems
CCL22 ist ein sogenanntes Chemokin. Darunter versteht man Substanzen, die die Wanderung von Zellen im Körper steuern. Wenn etwa bestimmte Immunzellen Bausteine eines Bakteriums oder eines Virus aufspüren, schütten sie Chemokine aus und rufen damit die körpereigenen Abwehrtruppen zur Hilfe.
Ähnliches passiert auch bei Kontaktallergien: Dabei werden körpereigene Proteine durch das Allergen - etwa eine nickelhaltige Halskette - modifiziert. Diese eigentlich harmlosen Veränderungen werden vom Immunsystem als fremd erkannt, was unter anderem zur Ausschüttung von CCL22 führt. Das CCL22 lockt dann seinerseits sogenannte T-Zellen an, die daraufhin zum Ort des Geschehens wandern. Folge ist eine allergische Reaktion.
Aptamer-Salbe hilft Mäusen
„Wir haben nun Mäusen ein Aptamer gegen CCL22 verabreicht“, erklärt Mayers Kollegin Prof. Dr. Irmgard Förster. Die Wissenschaftlerin forscht am LIMES-Institut der Uni Bonn zum Thema „Immunologie und Umwelt“ und ist zudem Mitglied des Exzellenzclusters „ImmunoSensation2“ und des Transdisziplinären Forschungsbereiches „Life and Health“. „Das Chemokin wurde dadurch gewissermaßen blockiert. Bildlich gesprochen, konnte die Nase der T-Zellen den mit dem Aptamer verklebten Lockstoff nicht mehr wahrnehmen.“
Die allergische Hautreaktion ging daher nach der Behandlung mit dem Aptamer zurück. Erstaunlicherweise klappte das auch, wenn der Wirkstoff in Form einer Salbe auf die entzündeten Stellen aufgetragen wurde. „Wir konnten damit erstmals zeigen, dass sich Aptamere auch in dieser Form verabreichen lassen“, betont Günter Mayer. „Die beiden Erstautorinnen Anna Jonczyk und Marlene Gottschalk, die die Experimente durchgeführt haben, waren von diesem Ergebnis selbst überrascht und begeistert von dem zukünftigen therapeutischen Potential.“
Noch unklar, ob sich der Ansatz auch beim Menschen bewährt
Die Forschenden wollen nun untersuchen, ob das auch bei anderen Hautkrankheiten funktioniert. „Eventuell lassen sich auch Erkrankungen wie die Neurodermitis oder sogar bösartige Melanome mit speziellen Aptamer-Crèmes gegen dieses oder andere Zielproteine behandeln“, hofft Irmgard Förster. „Allerdings gelten unsere Ergebnisse bislang nur für Mäuse. Ob sich der Ansatz auch bei Menschen bewährt, bleibt abzuwarten.“