Das menschliche Genom ist eine sich stetig weiter entwickelnde Datenbank, die sich schon seit Jahrmillionen Jahren aufbaut. Dabei haben vor allem Viren ihre Spuren hinterlassen, die sich in das Genom integrieren können: Fast die Hälfte unseres Genoms ist heute mit alten viralen Sequenzen belegt. Die Mehrzahl dieser viralen Fossilien haben zunächst keinen erkennbaren Nutzen. Unter bestimmten Bedingungen können diese Sequenzen allerdings mobilisiert werden und von einem Ort zum anderen springen oder sich selbst kopieren. „In den letzten Jahren konnte klar gezeigt werden, dass solche sogenannten endogenen Retroelemente mit der Entwicklung von Entzündungskrankheiten und entzündungsbedingter Alterung in Zusammenhang stehen und auch Krebs verursachen können.“ sagt Prof. Dr. Rayk Behrendt vom Institut für Klinische Chemie und Klinische Pharmakologie am Universitätsklinikum Bonn. „Uns interessiert daher, ob und welche Vorteile die Erhaltung dieser Elemente in unserem Genom mit sich bringen.“
Trainieren Retroelemente unser Immunsystem?
Endogene Retroelemente werden in gesunden Zellen nur sporadisch abgeschrieben. Es könnte jedoch sein, dass sie eine wichtige Rolle bei der Aktivierung des Immunsystems spielen, indem sie Nukleinsäure-Sensoren in der Zelle aktivieren, die diese vor viralen Infektionen warnen. „Besonders spannend ist für uns außerdem die Frage, wie das Abschreiben der Retroelemente als Reaktion auf alltägliche Stresssituationen wie Virusinfektionen oder DNS-Schädigungen reguliert wird.“ sagt Rayk Behrendt. In Mäusen soll zudem untersucht werden, wie Retroelemente vom angeborenen Immunsystem erkannt werden und ob dies funktionelle Konsequenzen dafür hat, eine schützende und pathologische Immunität aufzubauen. Auch technisch wollen die Forschenden hier Neuland betreten und einen neuen sogenannten Deep-Sequencing Workflow entwickeln, der es ihnen erlaubt, den genauen genomischen Ursprung eines jeden Retroelements zu bestimmen.
Vielversprechender Nachwuchs für die Universität Bonn
Rayk Behrendt hat am Robert Koch Institut und der Humboldt-Universität Berlin promoviert. Danach forschte er am Institut für Immunologie der Technischen Universität Dresden, wo er ab 2017 die Forschungsgruppe „Cell-intrinsic Immunity and Genome Defense“ leitete. Seit März dieses Jahres ist Behrendt Professor für Nukleinsäure-Immunität an der Universität Bonn und am Universitätsklinikum Bonn. Der jetzt eingeworbene ERC Consolidator Grant wird an erstklassige Nachwuchsforschende vergeben, um sie bei der Festigung ihrer wissenschaftlichen Unabhängigkeit zu unterstützen. „Ich habe die dem Projekt zu Grunde liegende Fragestellung lange mit mir herumgetragen. Jetzt bin ich sehr dankbar, dass mir diese großartige Auszeichnung ermöglicht, an unserer Wissensgrenze in diesem Feld zu kratzen“, sagt Behrendt. „Der Zeitpunkt hätte nicht besser passen können, da ich sehr froh bin, Teil des ausgezeichneten wissenschaftlichen Umfeldes am Institut für Klinische Chemie und Klinische Pharmakologie und am Exzellenzcluster ImmunoSensation2 der Universität Bonn zu sein.“ Rayk Behrendt ist auch Mitglied im Transdisziplinären Forschungsbereich „Leben und Gesundheit“.