Virtual Reality, die computergenerierte Darstellung von 3D-Welten über VR-Brillen oder ähnliche VR-Geräte, erfreut sich in den letzten Jahren einer zunehmenden Beliebtheit von Forschenden im Bereich Psychiatrie und Psychotherapie. Grund dafür ist die Möglichkeit, verschiedenste für die Behandlung und Erforschung psychischer Störungen relevante Alltagssituationen realitätsgetreu, kostengünstig und hoch-standardisiert simulieren zu können.
Die Forschungsgruppe „Virtual Reality Therapy and Medical Technology“ um Leiter Dr. Niclas Braun machte sich dies in einem Drittmittel-geförderten (MEDICE, BONFOR, BMBF) Projekt zunutze, um eine naturalistische Testumgebung für das Erfassen von Symptomen und krankheitsbedingten Verhaltensweisen von Erwachsenen mit ADHS zu entwickeln. Während die Patientinnen und Patienten im sogenannten „Virtuellen Seminarraum“ eine Aufmerksamkeitsaufgabe absolvieren, werden neben den gegebenen Antworten und Reaktionszeiten auch ihre Kopf- und Augenbewegungen sowie ihre Gehirnaktivität gemessen. Um die Testsituation noch realistischer zu gestalten, werden in regelmäßigen Abständen ablenkende Ereignisse abgespielt, wie beispielsweise ein Krankenwagen mit Martinshorn oder ein Seminarteilnehmer, der zu spät kommt – wie im echten Leben.
Diese für erwachsene Personen mit ADHS bisher einzigartige Testumgebung überzeugte die Jury des DIVR XR Science Awards, die in diesem Jahr zum sechsten Mal in verschiedenen Kategorien vielversprechende VR-Projekte deutscher Hochschulen auszeichnete. Besonders beeindruckt war die Jury von der Kombination der verschiedenen Messverfahren und der Tatsache, dass der Seminarraum schon in vier Studien erprobt wurde, von denen drei bereits in internationalen Fachzeitschriften (Wiebe et al., 2023; Selaskowski et al., 2023; Wiebe & Kannen et al., 2022) publiziert wurden.
„Es erfüllt mich mit großer Freude, dass die langjährige Fleißarbeit meines Forschungsteams am virtuellen Seminarraum nun mit dem DIVR XR Science Award ausgezeichnet wurde. Bedanken möchte ich mich insbesondere bei meinen Teammitgliedern Annika Wiebe, Benjamin Selaskowski, Kyra Kannen, Laura Asché und Julian Pakos sowie meiner Klinikdirektorin Prof. Alexandra Philipsen, ohne deren tatkräftigen Einsatz dieses Projekt nie so erfolgreich hätte umgesetzt werden können“, so AG-Leiter Dr. Niclas Braun.