Was waren die größten Innovationen in der Parodontologie in den vergangenen 100 Jahren?
In den 1960er und 1970er Jahren wurde herausgefunden, dass bakterielle Plaque eine wichtige Rolle bei der Entstehung der Parodontitis spielt. In den 1980er und 1990er folgte die Erkenntnis, dass die individuelle entzündliche Immunantwort die Krankheitsanfälligkeit und deren Verlauf entscheidend bestimmt. Außerdem gelang es erstmals, zerstörte parodontale Gewebe zu regenerieren. In den 2000er Jahren schließlich stand die Entschlüsselung des oralen Mikrobioms sowie die Auswirkungen der Parodontitis und deren Interaktionen mit anderen chronischen nicht-übertragbaren Erkrankungen im Mittelpunkt der Forschung. Hier sind insbesondere die ungünstigen Wechselwirkungen mit Diabetes und die negativen Auswirkungen auf die kardiovaskuläre Gesundheit zu nennen.
Eine große Bedeutung für die erfolgreiche klinische Umsetzung parodontaler Therapie in der zahnärztlichen Praxis war die Verabschiedung einer weltweit gültigen Klassifikation und darauf aufbauend die Entwicklung von Therapie-Leitlinien vor wenigen Jahren. In Kürze wird eine von der DG PARO und der Deutschen Diabetes Gesellschaft erarbeitete Leitlinie publiziert werden, die sich gleichermaßen an Haus- und Zahnärzte richtet. Ein wichtiges Ziel ist, die Prävention und Früherkennung dieser beiden Volkskrankheiten zu verbessern.
Was sind heute die größten Herausforderungen?
Parodontitis ist eine Volkskrankheit: Die Hälfte der deutschen Erwachsenen leiden an einer leichten bis mäßig fortgeschrittenen Form der Erkrankung und circa 10 Millionen Menschen sind schwer erkrankt. Die Folgen der schweren Parodontitis für Betroffene sind gravierend, angefangen bei einer eingeschränkten Kaufunktion bis hin zu negativen Auswirkungen auf die Lebensqualität sowie auf die allgemeine Gesundheit. Die hohen Kosten für notwendigen Zahnersatz belasten zudem die Gesundheitssysteme. Die notwendige Prävention in den Praxen umzusetzen ist jedoch herausfordernd, da präventive Maßnahmen schlechter honoriert werden als invasive Eingriffe. Zunehmend in den Blick rückt auch die Aufrechterhaltung der Mundgesundheit bei einer immer älter werdenden Bevölkerung, insbesondere bei Pflegebedürftigen.
Was ist der Schwerpunkt in der Parodontologie-Forschung in Bonn?
Im Rahmen unserer DFG-Klinischen Forschergruppe haben wir im Forschungsverbund mit Genetikern, Immunologen, Mikrobiologen, Dermatologen und Kardiologen zu den Ursachen und Folgen parodontaler Erkrankungen geforscht. Meine Arbeitsgruppe hat sich dabei besonders den genetischen Ursachen und der angeborenen Immunantwort gewidmet.
Aktuell forschen wir zu innovativen klinischen Methoden, um zerstörtes parodontales Gewebe zu regenerieren sowie Entzündungen um dentale Implantate herum vorzubeugen bzw. zu behandeln.
Des Weiteren untersuchen wir in einem großen Verbundprojekt, das durch den Innovationsfond des Gemeinsamen Bundesauschusses (GBA) gefördert wird, zusammen mit Zahn- und Hausärztlichen Praxisnetzwerken, wie die Versorgung von Patientinnen und Patienten mit Parodontitis und/oder Diabetes verbessert werden kann.
Weitere Informationen zur Jubiläumstagung der DG PARO gibt es unter https://dgparo-tagungen.de/