Dass es Besucherinnen und Besuchern, die noch nie in einem Gebäude der Rechtsmedizin waren, etwas komisch anmutet, ist Prof. Daniel Wittschieber gewöhnt. Der 40-Jährige freut sich sehr über seinen Ruf nach Bonn, der für ihn eine große Ehre bedeutet. „Das Institut für Rechtsmedizin des UKB ist deutschlandweit besonders renommiert und traditionsreich, da zum Beispiel mit Otto Prokop einer der bedeutendsten Rechtsmediziner aus diesem Haus hervorging. „Überhaupt sind von Bonn aus etliche Lehrstühle in den letzten Jahrzehnten besetzt worden“, so Prof. Wittschieber.
Zwischen zwei Welten
Medizin studiert hat der neue Direktor des Instituts in seiner Heimatstadt Berlin, wo er anschließend ärztlich an der Charité tätig war. Bereits früh interessierte er sich für die Fächer Anatomie und Pathologie, bevor er sich für die Rechtsmedizin entschied. „Spannend finde ich, dass wir als Rechtsmediziner gewissermaßen eine Schnittstelle zwischen Medizin und Justiz darstellen, wir vermitteln sozusagen zwischen beiden Welten. Daneben ist der sehr diagnostik- und wissenschaftsorientierte Berufsalltag und die breite Überschneidung mit besonders vielen anderen medizinischen Disziplinen, wie z.B. der Chirurgie, der Pathologie oder der Kinderheilkunde sehr interessant“, erläutert Prof. Wittschieber. Bevor er nach Bonn kam, war er an den Instituten für Rechtsmedizin der Universitätsklinika in Münster und Jena beschäftigt.
Obduktionen und Lebendbegutachtungen
Dass die Rechtsmedizin sich nur mit Toten beschäftige, sei ein allgemein oft wiedergegebenes Missverständnis. „Neben der Obduktion von Leichen, deren Todesursache unklar ist, zählen auch Lebendbegutachtungen, vor allem von Gewaltopfern, zu unseren Aufgaben. Die Erstattung von Gutachten zu verschiedensten medizinischen Fragestellungen bestimmen ansonsten die Routinetätigkeit. Sie werden üblicherweise von Polizei oder Staatsanwaltschaft in Auftrag gegeben und müssen teilweise auch mündlich vor Gericht vertreten werden“, sagt der neue Direktor der UKB Rechtsmedizin. In seinem Institut arbeiten dafür Expertinnen und Experten der Medizin und Naturwissenschaften in drei Abteilungen zusammen: der forensischen Medizin, der forensischen Toxikologie und der forensischen Genetik, die z.B. Abstammungsbegutachtungen durchführt.
Neue Abteilung forensische Radiologie
Neu gründen möchte Prof. Wittschieber zudem eine Abteilung für forensische Radiologie. Erste Voraussetzungen existieren bereits. So wird ein Computertomograph (CT) bereits seit einiger Zeit zur Untersuchung von Leichen im Institut eingesetzt. Das kann z.B. bei der Verletzungserfassung von Verkehrsunfallopfern oder bei der Suche nach Projektilen im Körper hilfreich sein. Auch bei der forensischen Altersdiagnostik, mithilfe derer festgestellt werden kann, ob lebende Menschen juristisch relevante Altersgrenzen überschritten haben oder nicht, spielt die forensische Radiologie eine erhebliche Rolle. Ein weiterer Forschungsschwerpunkt von Prof. Wittschieber ist die Diagnostik misshandlungsbedingter Kopfverletzungen bei Säuglingen und Kleinkindern. Die neue Abteilung für forensische Radiologie wird dafür auch eng mit den Kliniken für Neuroradiologie und Radiologie des UKB kooperieren.
Beethoven und Bonn bieten Ausgleich
In der neuen Position freut sich Prof. Wittschieber auch auf die Lehre mit den Bonner Studierenden, die am Institut für Rechtsmedizin u.a. lernen, die sicheren Zeichen des Todes festzustellen und Anzeichen auf Fremdverschulden zu erkennen. Auch wenn man sich oft mit Themen wie Tod, Gewalt und Verbrechen beschäftigt, findet Prof. Wittschieber passende Ventile für einen Ausgleich: „Musik zum Beispiel hilft mir sehr auf andere Gedanken zu kommen. Früher habe ich recht intensiv Oboe gespielt, das verbindet mich ein wenig auch mit Bonn, denn Beethoven, der lange in Bonn gelebt und gewirkt hat, hat das Instrument offenbar auch sehr geliebt.“