„Aufgrund nicht diagnostizierter so genannter `stiller´ Hirninfarkte ist die Zahl der Betroffenen in der Bevölkerung etwa 14 Mal höher als klinisch erfasst“, sagt Prof. Dr. Olga Golubnitschaja, Leiterin der Forschungsgruppe für 3P (prädiktive, präventive und personalisierte) Medizin des Universitätsklinikums Bonn. Bleibt der stille Hirninfarkt unbehandelt, könne er viele schwere und tödliche Erkrankungen wie Demenz, Depression und sogar Suizide verursachen.
Zusammen mit weiteren Autorinnen und Autoren aus Deutschland, Tschechien, der Schweiz, Belgien und Österreich hat die Wissenschaftlerin für das EPMA Journal ein Positionspapier in Form eines „Letter to the editor“ verfasst. „Dabei handelt es sich um ein Format, um einerseits auf gravierende Probleme aufmerksam zu machen und andererseits revolutionäre Konzepte zur Bekämpfung angesprochener Probleme der Welt vorzustellen“, sagt Prof. Golubnitschaja.
Im „Positionspapier“ stellen die Forschenden innovative Konzepte vor, die zur Verhinderung von Schlaganfällen beitragen. Im Mittelpunkt steht die „prädiktive Medizin“. Dabei geht es darum, die Wahrscheinlichkeit von Erkrankungen vorherzusagen und darauf basierend vorbeugende Maßnahmen zu treffen, um das Krankheitsrisiko zu verringern.
Die Autorinnen und Autoren haben in dem Beitrag ihre Konzepte mit Originaldaten aus einem internationalen Forschungsprojekt belegt. „Wir zeigen, wie der Gesundheitszustand eines Patienten stabilisiert werden kann und zwar im Stadium einer suboptimalen Gesundheitskondition, um den Betroffenen vor der Krankheit zu schützen“, sagt Prof. Golubnitschaja.
In dem Positionspapier sprechen sich die Forschenden dafür aus, das multidisziplinäre Fachwissen zum Schlaganfall zusammenzuführen und dadurch die prädiktive Medizin zu stärken. Außerdem soll Künstliche Intelligenz die Therapien verbessern. Darüber hinaus sollen auch junge Menschen in Screening-Programme einbezogen werden.
Mehr als zwei Jahrzehnte Forschung
Olga Golubnitschaja forscht seit mehr als zwei Jahrzehnten für einen Paradigmenwechsel weg von reaktiver Medizin hin zu prädiktiver, präventiver und personalisierter Medizin (kurz: 3PM). Damit sollen vor Krankheitsausbruch geeignete vorbeugende und individuell zugeschnittene Maßnahmen für Patienten ergriffen werden. Die Wissenschaftlerin leitet eine 3PM-Forschungsgruppe an der Universität Bonn. Seit 2008 ist sie Generalsekretärin der European Association for Predictive, Preventive & Personalised Medicine in Brüssel und Europäische Repräsentantin für „Prädiktive Medizin“ im EDRN-Network am NCI, USA. Außerdem ist sie Chefredakteurin der internationalen Fachzeitschrift „The EPMA-Journal: International Reviews in Predictive, Preventive & Personalised Medicine“. Des Weiteren ist sie Autorin und Herausgeberin des Buches „Predictive Diagnostics & Personalized Treatment: Dream or Reality?“.