Schizophrenie und bipolare – auch manisch-depressiv genannt –Störung sind hochgradig erblich. „Gerade bei der Entstehung dieser beiden psychischen Erkrankungen spielen genetische Faktoren eine bedeutende Rolle“, sagt Prof. Schulte. Daher möchte sie die genetische Diagnostik in den klinischen Alltag integrieren und eine entsprechende Ambulanz an der Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie des UKBs etablieren. „Die hohe genetische Belastung zeigt sich in einem erhöhten familiären Aufkommen von erkrankten Familienmitgliedern und einer frühen Erkrankung,“ sagt Prof. Schulte. „Eine genetische Diagnostik wird wahrscheinlich im Kontext psychischer Erkrankungen noch zu selten veranlasst, obwohl sich hierdurch in manchen Fällen ein besseres Krankheitsverständnis und eventuell auch gezieltere Therapiemöglichkeiten ergeben können.“ Da psychische Symptome auch Teil seltener genetischer Krankheitsbilder, die nicht nur die Psyche betreffen, sein können, strebt sie eine enge Zusammenarbeit mit dem Zentrum für Seltene Erkrankungen (ZSEB) am UKB an.
Eine Brücke zwischen Klinik und Forschung
Prof. Schulte will den genetischen Ursachen und den Zusammenhängen für psychische Erkrankungen weiter auf den Grund gehen: „Doch dazu ist man auf viele Proben verschiedener Patienten angewiesen. Denn psychische Erkrankungen sind im allgemeinen komplex-genetische Erkrankungen, das heißt viele verschiedene genetische Veränderungen tragen gemeinsam zum individuellen Erkrankungsrisiko bei.“ So ist die Humangenetik hier auf eine Sammlung großer Datenmengen angewiesen. Prof. Schulte war daher an dem Aufbau der Munich Health Biobank (MMHB) an der psychiatrischen Klinik der Ludwig-Maximilians-Universität (LMU) in München beteiligt. Eine solche Biobank strebt sie auch für das UKB an: „Im klinischen Alltag entstehen viele krankheitsbezogene Daten, die unter Berücksichtigung des Datenschutzes für die Forschung wiederverwendet werden sollten. Das ist ein richtiger Schatz!“
In der funktionellen Genomik erforscht Prof. Schulte Genfunktionen und deren Beteiligung an biochemischen, zellulären und physiologischen Prozessen. „In den letzten 15 Jahren sind viele mit psychischen Erkrankungen in Zusammenhang stehende Gene erfolgreich identifiziert worden. Doch wissen wir meist noch nicht, was diese genetischen Risikofaktoren eigentlich biologisch bewirken“, konstatiert sie. Aufgrund der Vielzahl ist es aber schwierig dies für jede einzelne genetische Veränderung zu ermitteln. Daher nutzt Prof. Schulte Hochdurchsatz-Screenings, um Genomsequenzen systematisch und parallel zu analysieren. Zudem schaut sie sich sogenannte Lipidprofile genauer an. Denn Lipide machen einen Großteil der Gehirnsubstanz aus und sie sind Hauptbestandteil der Zellmembranen. „Neben einer frühen Grundsteinlegung im Zentralen Nervensystem geht man davon aus, dass eine Störung in der Kommunikation zwischen Nervenzellen vielen psychischen Krankheitsprozessen zugrunde liegt“, sagt Prof. Schulte. Um diese Erkrankungen frühzeitig und zuverlässig erkennen zu können, interessiert sie sich für Biomarker. So hat sie kürzlich als Forscherin am LMU Institut für Psychiatrische Phänomik und Genomik mit Kollegen des LMU Klinikums in Blutproben von Studienteilnehmenden ein Lipidprofil des Fettstoffwechsels gefunden, das auf eine Schizophrenie hinweist.
Optimale Vernetzung auf dem Bonner Venusberg-Campus
Die Motivation von Prof. Schulte von München nach Bonn zu wechseln, ist die psychiatrische und humangenetische Forschung auf höchstem Niveau am UKB. „Diese Expertise möchte ich in den klinischen Alltag einfließen lassen“, sagt die promovierte Fachärztin für Psychiatrie und Psychotherapie und Fachärztin für Neurologie, die zudem in der Humangenetik ein zweites Mal naturwissenschaftlich promovierte. Ihre akademische Ausbildung führte sie mehrfach in die USA darunter nach Stanford und Harvard sowie Oxford, Hongkong und in die Schweiz. Vor ihrem Dienstantritt am UKB verbrachte sie noch ein halbes Jahr an Europas größtem Genetikforschungsinstitut, dem Wellcome Sanger Institute in der Nähe von Cambridge, Großbritannien.
Neben den Alpen wird sie den aktiv ausgeführten Mannschaftssport vermissen. Bei dem aus Amerika, wo Prof. Schulte ihre Jugend verbrachte, stammenden Lacrosse wird versucht einen tennisball-großen Ball mit einem circa ein Meter langen Schläger, an dessen Ende ein Netz befestigt ist, ins gegnerische Tor zu befördern. „Ein bisschen wie Feldhockey, nur in der Luft“, erklärt Prof. Schulte. Sie vertrat als langjähriges Mitglied der deutschen Nationalmannschaft Deutschland dreimal bei Welt- und mehrfach bei Europameisterschaften. Mit ihrem Verein Rot-Weiß München war sie zudem viermal deutsche Meisterin und ist derzeit amtierende Vizemeisterin.