„Ohne räumliche Navigation und räumliches Gedächtnis könnten wir uns kaum in unserer Umgebung zurechtfinden und würden uns nur schwer an vergangene Ereignisse erinnern. Daher fasziniert es mich herauszufinden, welche Mechanismen im menschlichen Gehirn diesen beiden Fähigkeiten zugrunde liegen“, sagt Prof. Kunz. Seine translationale Forschung baut auf Erkenntnissen aus der Tierforschung auf. So untersucht er, ob Nervenzellen, die im Gehirn von Nagetieren während räumlicher Navigation aktiv sind, auch im menschlichen Gehirn existieren und wie sie das menschliche Gedächtnis unterstützen. „Dies ist wichtig, da wir dadurch ein genaueres Verständnis menschlicher Kognition entwickeln können“, betont Prof. Kunz. „Langfristig gehe ich der Frage nach, wie Erkrankungen des menschlichen Gehirns diese Mechanismen beeinträchtigen und wie wir Interventionen entwickeln können, um Gedächtnisbeeinträchtigungen zu verringern.“
Zellen spielen die Rolle von einem Kompass im Gehirn
In seinen Forschungszeiten am Universitätsklinikum Freiburg und an der Columbia University in New York identifizierte Prof. Kunz Nervenzellen des menschlichen Gehirns, die Bewegungsrichtungen repräsentieren. Ähnliche Zellen wurden bereits vor dreißig Jahren in Nagetieren entdeckt. Um diese Nervenzellen im Menschen zu untersuchen, zeichnete er die Aktivität einzelner Nervenzellen im Gehirn von Epilepsiepatienten auf, während die Patienten von ihm entwickelte Navigationsaufgaben in Virtual Reality lösten. Mittels Computeranalysen konnte Prof. Kunz auf diese Weise Richtungszellen im Menschen nachweisen. „Interessanterweise feuerten diese Zellen nicht nur in Abhängigkeit von globalen Richtungen wie Norden, Süden, Osten und Westen, sondern auch in Abhängigkeit von lokalen Richtungen wie vorwärts, rückwärts, rechts und links. Diese Ergebnisse stellen einen wichtigen Schritt beim Verständnis räumlicher Orientierung im Menschen dar“, sagt Prof. Kunz, der kürzlich den „Nachwuchsförderpreis Klinische Neurophysiologie“ der Deutschen Gesellschaft für Klinische Neurophysiologie und Funktionelle Bildgebung (DGKN) erhielt.
Seine Forschung zu einem besseren Verständnis von Navigation und Gedächtnis setzt er jetzt am UKB fort. Ein wichtiger Punkt dabei sind neu entwickelte Virtual-Reality Studien, bei denen sich Epilepsiepatienten und gesunde Personen durch virtuelle Umgebungen bewegen und Gedächtnisaufgaben in diesen Umgebungen lösen. „Nachfolgend setzten wir das Verhalten der Studienteilnehmer mit der gleichzeitig aufgezeichneten Hirnaktivität in Verbindung, wofür wir neue, innovative Analyseverfahren entwickeln. So wollen wir die Funktion bestimmter Nervenzellen und bestimmter Hirnareale bei räumlicher Navigation und räumlichem Gedächtnis aufdecken“, sagt Prof. Kunz.
Rückkehr auf den Venusberg-Campus Bonn
„Die Epileptologie am UKB ist für ihre exzellente Hirnforschung bekannt. Hier gibt es insbesondere die einzigartige Möglichkeit, in der Video-EEG-Monitoring-Einheit – das Herzstück eines jeden Epilepsiezentrums – die Aktivität einzelner Nervenzellen des menschlichen Gehirns aufzuzeichnen. Dies liefert spannende Einblicke in die Funktionsweise des menschlichen Gehirns, was nur an wenigen Forschungszentren weltweit möglich ist“, beschreibt Prof. Kunz die Motivation an seine Alma Mater zurückzukehren. Er setzt hier auf den Austausch mit anderen Forschenden, der sehr wichtig für die Entwicklung neuer Forschungsideen ist. Auch freut er sich auf die Zusammenarbeit mit den Ärzten, Neuropsychologen, medizinisch-technischen Assistenten und den Patienten, ohne die seine Forschung nicht möglich wäre.
Darüber hinaus sieht er im Bereich der Ultra-Hochfeld-MRT-Scanner, die detailliierte Bildgebungsstudien ermöglichen, eine Zusammenarbeit mit dem auf dem Venusberg-Campus ansässigen Deutschen Zentrum für neurodegenerative Erkrankungen (DZNE). „Damit können wir nicht-invasiv Hirnaktivierungen während räumlicher Navigationsaufgaben in Menschen untersuchen, die ein erhöhtes Risiko für die Alzheimer-Erkrankung aufweisen“, sagt Prof. Kunz. Mithilfe dieser Methoden hatte er früher bereits zeigen können, dass Menschen mit erhöhtem Alzheimer-Risiko eine verminderte Aktivität von Nervenzellen des entorhinalen Kortex aufweisen, wofür er mit dem „BONFOR-Forschungspreis“ der Universität Bonn ausgezeichnet wurde.