Was verbirgt sich hinter dem Enzym Zyklin-abhängige Kinase 7, im Englischen Cyclin-dependent kinases, somit kurz Cdk7?
Prof. Matthias Geyer: „Kinasen sind Enzyme, die die Funktion anderer Eiweiße durch das Anheften von Phosphorverbindungen beeinflussen können. Dabei sind sie auf einen regulatorischen Partner, das Zyklin, angewiesen, daher der Name. Die Zyklin-abhängigen Kinasen sind seit langem für ihre Funktion in der Zellteilung bekannt. Für ihre Entdeckung gab es bereits vor über 20 Jahren den Nobelpreis für Medizin[*]. Cdk7 nimmt in dieser Enzymfamilie nochmal eine herausgehobene Position ein, denn es ist an zwei zellulären Prozessen maßgeblich beteiligt: dem Abschreiben von Genen und der Zellteilung.“
[*Nobelpreis für Physiologie und Medizin 2001: Leland H. Hartwell, Tim Hunt, Paul M. Nurse „for their discoveries of key regulators of the cell cycle“.]
Es wird vermutet, dass das Enzym Cdk7 in Krebszellen eine Rolle spielen könnte. Warum und welche?
Dr. Robert Düster: „Dadurch, dass Cdk7 eine elementare Rolle beim Abschreiben der Gene und der Zellteilung spielt, ist es ein zentraler Schalter für die Genexpression. Fällt das Enzym aus oder wird es medikamentös ausgeschaltet, können sich Zellen nicht mehr teilen. Studien zeigen zudem, dass das Enzym in vielen Krebsarten hochreguliert ist, die Krebszellen also mehr davon haben als vergleichbare gesunde Zellen. Das wiederum begünstigt das Tumorwachstum.“
Welche möglichen Ansätze ergeben sich dadurch für Krebstherapien?
Prof. Matthias Geyer: „Eine unkontrollierte, krankhafte Teilung von Zellen ist vereinfacht die Definition von Krebs. Die direkte Hemmung der Zellteilung ist daher ein zentraler Angriffspunkt. Ein reiner Stopp der Zellteilung kann aber auch hinderlich für die Therapie sein, nämlich dann, wenn die kranken Zellen nur aufhören sich zu teilen, aber nicht absterben. In vorklinischen Studien hat sich jedoch gezeigt, dass die Hemmung der Cdk7-Aktivität einen verstärkenden Effekt auf andere Therapieformen hat. Dies könnte mit der zusätzlichen Funktion von Cdk7 beim Abschreiben von Genen zusammenhängen. Ein Wirkstoff, der Cdk7 hemmt, hat vor kurzem eine Zulassung der US-Amerikanischen Arzneimittelbehörde bekommen. Er wird bei Formen von Brustkrebs eingesetzt, die auf die vorherige Therapie nicht mehr ansprechen.“
In Ihrer aktuellen Studie haben Sie das Enzym Cdk7 im Reagenzglas genauer unter die Lupe genommen.
Dr. Robert Düster: „Kinasen werden in der Zelle durch eine chemische Veränderung aktiviert, sie haben sozusagen einen „An/Aus“-Schalter. Als wir biochemische Tests mit Cdk7 machten, stellten wir fest, dass es nicht nur einen, sondern zwei Schalter hat. Wenn beide auf „An“ stehen, steigert das die Aktivität um ein Vielfaches. Das Ergebnis hat uns ziemlich überrascht und war so nicht zu erwarten. Denn diese Art der Aktivitätsregulation findet man nicht bei anderen Mitgliedern der Zyklin-abhängigen Kinasen, sie ist eine spezielle Eigenschaft von Cdk7.“
Und wie funktioniert das?
Dr. Robert Düster: „Um den zugrundeliegenden Mechanismus besser zu verstehen, haben wir die molekulare Struktur von Cdk7 gemeinsam mit zwei weiteren regulatorischen Bestandteilen bestimmt. Durch das Umlegen der Schalter entsteht ein fein ausbalanciertes Netzwerk aus positiven und negativen elektrischen Ladungen. Da sich positiv und negativ geladene Atome gegenseitig anziehen, wird das Enzym in seiner aktiven Form stabilisiert. Weiterhin haben wir in Experimenten mit Zellen gesehen, dass die beiden Schalter nicht gleichzeitig oder zufällig, sondern immer in der gleichen Reihenfolge umgelegt werden.“
Was erhoffen Sie sich von Ihren Forschungsergebnissen für die Krebstherapie?
Prof. Matthias Geyer: Die Krebstherapie hat sich in den vergangenen Jahrzehnten sehr stark entwickelt. Die ‘eine’ Therapie gibt es schon lange nicht mehr. Das liegt daran, dass sich Tumore nicht nur in der Gewebeanalyse, sondern auch in ihren molekularen Details unterscheiden. In der Diagnostik werden daher viele verschiedene Merkmale der Krebszellen analysiert, um eine zielgerichtete Therapie zu ermöglichen. Das ist Teil der personalisierten Medizin. Wie bereits erwähnt, liegt Cdk7 bei vielen Krebsarten in höherer Konzentration vor als in gesunden Zellen. Das alleine erklärt jedoch nicht, warum manche Krebsarten empfindlicher auf die Hemmung der Cdk7-Aktivität reagieren als andere. Eventuell können unsere Ergebnisse dazu beitragen, diese Unterschiede besser zu verstehen und zielgerichtete Therapien zu entwickeln, um so die Heilungschancen zu erhöhen.“