„Besonders spannend finde ich, dass wir in diesem Projekt gleich mehrere für die Entwicklung eines dynamisch, evidenzbasiert und datengetrieben lernenden Gesundheitssystems absolut zentrale Herausforderungen konzertiert angehen: die Optimierung und Standardisierung der klinischen Dokumentation, um Patientenversorgung und Forschung noch effektiver und effizienter zu gestalten sowie den Aufbau von Technologien, die auch hochkomplexe Datenanalysen wie im Biosignalbereich üblich echtzeitnah in der Breite verfügbar machen, und schließlich die Zusammenführung dieser Datenquellen und Analyseverfahren in prüfbaren Vorhersagemodellen, die sich auf patientenzentrierte Outcomes fokussieren, die wir hierfür strukturiert erheben. Wenn wir diese Herausforderungen gemeinsam lösen, haben wir ein Vorgehensmodell geschaffen, das die Patientenversorgung und die medizinische Forschung auch weit über die Grenzen der Herz-Kreislaufmedizin hinaus signifikant verbessern kann“, sagt ACRIBiS-Koordinator PD Dr. Sven Zenker, Ärztlicher Leiter Stabsstelle Medizinisch-Wissenschaftliche Technologieentwicklung und -koordination (MWTek) und Leiter der Arbeitsgruppe Angewandte Medizinische Informatik (AMI) am Institut für Medizinische Biometrie, Informatik und Epidemiologie (IMBIE) am UKB und der Universität Bonn.
Dabei beschreitet ACRIBiS in Deutschland, aber auch international Neuland, da die beteiligten kardiologischen Kliniken nicht nur gemeinsam studienspezifisch Daten sammeln möchten, sondern sich auch entschieden haben, ihre klinische Routinedokumentation über alle Partnerstandorte hinweg so zu standardisieren und zu strukturieren, dass sich diese besser für die automatisierte Risikoschätzung eignet. Diese ist in der kardiologischen Patientenversorgung schon heute sehr wichtig, muss aber bisher durch händische Erfassung und Berechnung erfolgen. Durch diese Innovation wird nicht nur die klinische Arbeit perspektivisch erleichtert, sondern auch ein neuer, über die Standorte vergleichbarer Datensatz geschaffen, der die Weiterentwicklung der herz- und kreislaufmedizinischen Wissenschaft auch über die Grenzen von ACRIBiS hinaus unterstützen wird.
Individualisierte, interaktive Risikobewertung per App geplant
Diese strukturierten, standardisierten klinischen Daten werden darüber hinaus mit Ergebnissen automatisierter Analysen von Biosignalen wie dem Elektrokardiogramm (EKG) angereichert. Diese Zusammenführung lässt eine gegenüber der Risikoabschätzung nur aus klinischen oder nur aus Biosignalen extrahierten Risikoschätzungen nochmal verbesserte Vorhersagekraft erwarten, deren Untersuchung eines der wissenschaftlichen Kernziele von ACRIBiS ist. Im späteren Projektverlauf wird auch für die Patient*innen selbst eine individualisierte, interaktive Risikobewertung per App ermöglicht – ein wichtiger Beitrag zur Entwicklung des Risikobewusstseins.
Das ACRIBiS-Projekt nutzt die im Rahmen der Medizinformatik-Initiative (MII) sowie des Netzwerkes Universitätsmedizin (NUM) des BMBF aufgebaute Infrastruktur, ohne die die Projektziele in dieser Form gar nicht realistisch erreichbar wären. So setzt ACRIBiS unter anderem auf die Nutzung des Broad Consent der MII, um Patient*innen eine transparente Entscheidung über eine Beteiligung an diesem Vorhaben zu ermöglichen. ACRIBiS nutzt die Datenintegrationszentren (DIZ) der Standorte für die Datenverarbeitung, und schließlich eine Weiterentwicklung des NUM Dashboards (https://coronadashboard.ukbonn.de) für die zentrale Überwachung der Patientenrekrutierung und Untersuchung der Vorhersagekraft der Risikomodelle. Diese gemeinsamen Infrastrukturen werden durch ACRIBiS unter anderem um Funktionen für die automatisierte, echtzeitnahe Biosignalverarbeitung erweitert. Sobald dies technisch umgesetzt ist, bleibt der Nutzen aber nicht nur auf Herz- und Kreislauferkrankungen beschränkt, sondern kann auch auf andere Fachbereiche übertragen werden. Das Bundesministerium für Bildung und Forschung fördert dieses Projekt mit insgesamt etwas über neun Millionen Euro über einen Förderzeitraum von vier Jahren.
„Digitalisierung kann dabei helfen, unser Gesundheitssystem signifikant zu verbessern, wenn sie richtig genutzt wird. Es freut mich sehr, dass Bonn die Koordination dieses hochinnovativen Großprojektes übernimmt, welches eine Leuchtturmfunktion in der Entwicklung einer digitalen und prozessualen medizinischen Infrastruktur einnehmen kann, die im Zusammenspiel vieler Standorte eine schnelle und wirksame wissenschaftliche Nutzung von Patientendaten ermöglicht, die auch unmittelbar in die Patientenversorgung zurückwirkt und gleichzeitig die Einbindung der Patientinnen und Patienten verbessert“, sagt Prof. Bernd Weber, Dekan der Medizinischen Fakultät der Universität Bonn.