Insbesondere in den ärmsten Weltregionen, wo sauberes Wasser, sanitäre Einrichtungen und Gesundheitsversorgung für viele Menschen nicht oder nur eingeschränkt zugänglich sind, haben Viren, Bakterien, Parasiten, Pilze oder auch Giftschlangen leichtes Spiel. Die Folge sind schwere Erkrankungen wie Flussblindheit oder Schlafkrankheit, Dengue-Fieber, Lepra oder die Auswirkungen von Schlangenbissen. Da diese Krankheiten Menschen in Industrieländern und auch Reisende selten gefährden, werden sie auch im Hinblick auf Gelder für Forschung und Therapien vielfach vernachlässigt.
Afrika gehört zu den Regionen, in denen vernachlässigte Tropenkrankheiten quasi als „Volkskrankheiten“ auftreten. „Sie gehören in den betroffenen Ländern oftmals zu den häufigsten Krankheitsursachen“, sagt Prof. Achim Hörauf von der Universität Bonn, der stellvertretender Koordinator des Forschungsbereichs Malaria und vernachlässigte Tropenkrankheiten des Deutschen Zentrums für Infektionsforschung (DZIF) ist und Direktor des Instituts für Medizinische Mikrobiologie, Immunologie und Parasitologie am Universitätsklinikum Bonn arbeitet.
Vielversprechende Wirkstoffe in der klinischen Prüfung
Ein Beispiel ist die Flussblindheit (Onchozerkose), eine durch die Larven von Fadenwürmern hervorgerufene Infektion der Augenhornhaut, die bei einem von zwanzig Betroffenen zum Visusverlust und bei jedem Hundertsten zur Erblindung führt. Die Gefahr einer Infektion mit diesen Filarien ist an Flüssen besonders groß, da sich dort ihr Überträger, die Kriebelmücke, aufhält. Etwa 21 Millionen Menschen sind infiziert. DZIF-Wissenschaftler*innen um die Bonner Forschenden Prof. Hörauf, Prof. Marc Hübner, Dr. Kenneth Pfarr und Dr. Andrea Schiefer haben das Antibiotikum Corallopyronin A entwickelt, das gegen bestimmte Bakterien wirkt, die in den Fadenwürmern leben und für diese lebensnotwendig sind. Derzeit noch in der präklinischen Phase mit einem für 2024 geplanten Übergang in eine humane Phase 1 Studie, ist Corallopyronin A einer der vielversprechendsten Wirkstoffkandidaten für die Behandlung tropischer Filiarieninfektionen. In der Pipeline befinden sich darüber hinaus noch eine Reihe weiterer Wirkstoffkandidaten für die Therapie von Wurmerkrankungen.
Zusammen mit dem Koordinator des DZIF-Forschungsbereichs Malaria und vernachlässigte Tropenkrankheiten Prof. Michael Ramharter vom Bernhard-Nocht-Institut für Tropenmedizin führen die Bonner Forschenden zusammen mit afrikanischen Partnern auch klinische Studien zur Behandlung der Wurmerkrankung Loiasis in der zentralafrikanischen Region durch. Sie sollen klären, ob bestimmte Medikamente in der Lage sind, den afrikanischen Augenwurm, Loa loa, erfolgreich zu eliminieren.